Ein Muslim wiederholt Sūrah Fatiḥah mehrmals am Tag. Wenn wir nur die Farḍh-Gebete zusammenzählen ergibt dies 17 Mal. Hiervon ist ersichtlich, dass es für den Muslim von großer Bedeutung ist Sūrāh Fātiḥah richtig zu verstehen und ihre Lehren wahrzunehmen. Die Gelehrten schreiben, dass Sūrah Fātiḥah die Zusammenfassung des gesamten Qur’āns ist. Diese Sūrah enthält dementsprechend die wichtigsten Botschaften unseres Herrn an uns. Hiervon verstehen wir auch, wieso Allāh Taʿālā uns dazu verpflichtet hat diese Sūrah so oft jeden Tag zu wiederholen. In diesem Beitrag wollen wir diese so bedeutenden Lehren erörtern. Möge Allāh Taʿālā uns allen ermöglichen die Botschaften unseres Herrn zu verstehen, zu verinnerlichen und in Taten umzusetzen.
اَلْحَمْدُ لِلَّهِ رَبِّ ٱلْعَٰلَمِينَ
ٱلْعَٰلَمِينَ | رَبِّ | اللَّـهِ | لِ | الْحَمْدُ |
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aller Welten | (dem) Herrn | Allāh | gebührt/gehört (alleine) | Alles Lob |
Alles Lob (und Preis) gebührt Allāh (alleine), dem Herrn (auch: dem Besitzer/Erhalter/Herrscher) der Welten (auch: der gesamten Schöpfung).
Die tiefere Bedeutung: Wir lassen alle Arten von Lob und Preis Allāh alleine zukommen, da Er der Schöpfer, Besitzer und Herr der gesamten Schöpfung ist. Den perfektesten und vollkommensten Lob und Preis, den es gibt, lassen wir niemanden außer Allāh zukommen, da Er der Schöpfer, Herr und Erhalter von allem ist, und somit niemand anderer dieses Lob verdient. Ebenso gebührt Ihm alles Dank, denn jede Gnade und Gunst ist einzig und allein zu Ihm zurückzuführen. Und Er hat uns unendliche und unzählige Gnaden erwiesen. Wer ist dieser Allāh, dem wir alles Lob und Dank zukommen lassen? Allāh ist der „Rabb“ der gesamten Schöpfung. „Rabb“ bedeutet, dass er der Herr, Schöpfer, Besitzer und Erhalter von jeder Sache ist, die existierst. „Rabb“ bedeutet vor allem, dass Er jede Sache von ihrem Anfang (der Schöpfung) bis zu ihrem Ende im Vollkommenen begleitet – d. h. die Sache in eine bestimmte Ordnung bringt, sie aufrechterhält, sich um sie kümmert, für sie sorgt und jeden Schritt der Sache regelt und abwickelt. Die Existenz ist in verschiedene Welten eingeteilt – die Welt der Engel, die Welt der Jinn, die Welt der Menschen, die Welt der Tiere… Allāh ist ihr alleiniger Herr und Erhalter in jeder Phase ihrer Existenz. (siehe Tafsīr ibn Kathīr)
ʿAbdullāh bin ʿAbbās c sprach: „اَلْحَمْدُ لِلَّـه bedeutet das Danken Allāhs, das Sich-Ergeben vor Ihm (und vor Seinen Gnaden), das Bekennen Seiner Gnaden, Seiner Rechtleitung, seines Schöpfens…“ (Tafsīr ibn Kathīr von Ibn Jarīr)
Die Lehren
- Wir beginnen Sūrah Fātiḥah, indem wir Allāh als unseren einzigen Herrn und Schöpfer anerkennen und Ihn deswegen im Vollkommensten loben und preisen, da er der Herr und Erhalter von jeder Sache und vor allem von uns selbst ist. Wir erkennen Allāh als unseren Schöpfer und Gunst-Erweisenden an und loben und danken Ihn im Perfektesten.
- Die letzten zwei Worte dieses Verses sind eine vollkommene Beschreibung von Allāh, den wir hier loben und preisen: „Rabb“ bedeutet, dass Allāh der Schöpfer, verwaltenden Herrscher, Herr und Erhalter von jeder Sache ist, die außer Ihm selbst existiert. Wenn der Mensch über diese gigantische Eigenschaft Seines Herrn wahrhaftig nachdenkt, versetzt es ihn in ein gewaltiges Erstaunen. (siehe Tafsīr ibn Kathīr)
- Das letzte Wort „Al-ʿĀlamīn“ beutet im Arabischen auch „ein Zeichen und ein Hinweis“. Die gesamte Schöpfung wurde in diesem Vers ein Zeichen/ein Hinweis bezeichnet, da sie auf eine Sache deutet und zeigt, nämlich ihren Herrn und Schöpfer – Allāh. Auf diese Weise wird uns in diesem Vers mitgeteilt, dass die gesamte Schöpfung ein Beweis für die Existenz Allāhs ist und dass wir in der Schöpfung nachdenken sollen und anhand von ihr unseren Herrn und Seine perfekten Eigenschaften erkennen sollen, denn die gesamte Schöpfung ist ein Hinweis, das auf Ihn deutet. (Tafsīr ibn Kathīr)
اَلرَّحْمَٰنِ ٱلرَّحِيمِ
الرَّحِيْمِ | الرَّحْمٰنِ |
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des sehr Barmherzigen | des Allerbarmers |
dem Allerbarmer (auch: dem alles einschließenden Barmherzigen), dem sehr Barmherzigen (dem auf bestimmte Sachen bezogen Barmherzigen)
Nachdem Allāh Taʿālā sich im letzten Vers als „den Herrn aller Welten“ beschrieben hat, verdeutlicht Allāh in diesem Vers, dass Er der gnädige und barmherzige Herr ist und nicht der böswillige und hassende Herr. Der vorherige Vers beinhaltet eine Art Einschüchterung (Tarhīb) und dieser Vers beinhaltet eine Anregung und einen Anreiz zum Guten (Targhīb). (Tafsīr ibn Kathīr)
(Dieser Satz wurde bereits im Beitrag 1 erläutert)
مَٰلِكِ يَوْمِ ٱلدِّينِ
الدِّينِ | يَوْمِ | مَٰلِكِ |
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der Abrechnung | (am) Tag | (dem) Herrscher |
Dem (alleinigen) Herrscher (aller Angelegenheiten und der gesamten Schöpfung) am Tag der Abrechnung (auch: am Tag des Gerichts).
Die tiefere Bedeutung: Wer ist Allāh, der Allerbarmer, der sehr Barmherzige? Er ist es, der der alleinige Herrscher, Machthaber und Souveräne an jenem Tag sein wird, an dem jeder Mensch abgerechnet wird. Er ist daher zusammen mit Seiner Barmherzigkeit der majestätische, erhabene und über alles regierende Herr. „Mālik“ bedeutet, dass Allāh Taʿālā der alleinige Machthaber und Besitzer aller Angelegenheiten am Tag der Abrechnung sein wird und dass Ihm alleine die Autorität und Kontrolle zustehen werden. Genauso wie ein Besitzer vollkommenes Recht über seinen eigenen Besitz hat und die Macht und das Recht besitzt damit so zu verfahren, wie er es will, genauso ist die Lage an jenem Tag mit Allāh und all seiner Schöpfung. „Dīn“ bedeutet (1) „Ḥisāb“: die Abrechnung/Rechenschaft und (2) „Jazā“: die Vergeltung und der Ausgleich der Taten. Es ist daher der Tag, an dem jeder Mensch über all seine Taten des Diesseits abgerechnet wird und im Anschluss die gerechte Vergeltung und den Ausgleich seiner Taten erhalten wird. So wird es für das Gute weiteres Gutes (d. h. Belohnung) geben und für das Schlechte weiteres Schlechtes (d. h. Bestrafung) geben; außer dass Allāh vergibt, denn das steht ihm zu, da Er der Herrscher an jedem Tag sein wird. (Tafsīr ibn Kathīr; Tafsīr Aṭ-Ṭabarī)
Die Lehren
- Es wurde hier erwähnt, dass Allāh Taʿālā der Herrscher an jenem Tag sein wird, obwohl dies von dem vorherigen Vers „dem Herrn der Welten“ bereits verständlich ist! Dies wurde gemacht um Seine Herrschaft an jenem Tag noch stärker zu betonen, da dem Menschen eine geringe Herrschaft im Diesseits verliehen wurde, selbst wenn sie nur sehr begrenzt ist. Der Mensch meint deshalb, dass er dies und jenes besitzt und dass er dies und jenes kontrolliert…. Deswegen wurde dem Menschen in diesem Vers verdeutlicht, dass an jenem Tag all euer Besitz und eure Macht enden werden und ihr vollkommen machtlos vor eurem Herrn dastehen werdet. Der einzige, dem die Herrschaft und Macht zustehen werden, wird Allah einzig und allein sein. Dies wird an jenem Tag jeder Mensch mit Minderwertigkeit vor Seinem Schöpfer gezwungenermaßen einsehen müssen. ʿAbdullāh bin ʿAbbās Raḍhiyallāhu ʿanhu erläutert diesen Vers: „Kein Mensch wird an jenem Tag irgendeine Entscheidungskraft, Urteil, Befehl oder Macht besitzen, so wie sie es im Diesseits besaßen.“ (Tafsīr ibn Kathīr; Tafsīr Aṭ-Ṭabarī)
- Dieser Vers ist eine Erinnerung an die Āchirah und an die Bedeutung unserer Taten hier auf dieser Welt. Jeder Mensch wird für all seine Taten Rechenschaft ablegen müssen und seinen entsprechenden Lohn erhalten. Deswegen sollte sich jeder gut überlegen mit welchem Verdienst er dort erscheinen will und folglich entsprechende Taten vorausschicken. (Maʿāriful-Qur‘ān)
- Von diesem Vers lernen wir, dass das Diesseits nicht der wirkliche Ort der Vergeltung und der Wiedergutmachung ist. Nein, dies wird am Tag des Gerichts stattfinden. Das Diesseits ist daher mit einem Arbeitsplatz vergleichbar; in ihm wird gearbeitet, und den Verdienst – sei er gut oder schlecht – gibt es im Nachhinein. Der Ort, in dem das Unrecht beglichen wird und Gerechtigkeit herrschen wird, ist nicht die Dunyā, sondern (hauptsächlich) die Āchirah. Nicht zu vergessen ist, dass es bereits in der Dunyā Bestrafung und Belohnung in einem bestimmten Ausmaß gibt. Jedoch ist dies (zumeist) nicht die volle und ganze Vergeltung. Es kann mit einem Vorgeschmack verglichen werden.
Überlieferung: Der edle ʿUmar bin Al-Chaṭṭāb sagte: „Rechnet euch selbst ab, bevor ihr abgerechnet werdet, wiegt eure Taten ab, bevor sie abgewogen werden und bereitet euch für die große Vorführen vor demjenigen vor, vor dem keine eurer Taten versteckt ist.“ (Aḥmad fiz-Zuhd; Tafsīr ibn Kathīr)
Zusammengestellt von: Muhammad Yunus Bullinger